Predigt von Bischof Dr. Gebhard Fürst am 21. Januar 2023

Liebe Benediktinermönche, liebe Schwestern, liebe Brüder!

Wie weit gehen wir „um Gottes willen“? Um diese Frage kreist das Evangelium, aus dem eines der bekanntesten Sprichwörter stammt, das wir kennen: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein reicher Mensch in den Himmel kommt!“

Der Mann in der Erzählung nach Markus meint es mit der Religion ernst, sehr ernst sogar! Um jeden Preis will er alles richtig machen. An alle Gebote, die Gott dem Volk Israel gegeben hat, hält er sich präzise. Bisher ist er seinen Weg offensichtlich ganz gradlinig gegangen. Für ihn ging es wohl bisher immer steil bergauf. Er hat es schließlich zu großem Reichtum gebracht.

An einem Gebot aber scheitert er. Der Mann kann seinen Besitz nicht loslassen. Er kann sein Geld den Armen nicht geben. Dieses „Nadelöhr“ war für den reichen Mann zu klein.

Auch im Leben des Heiligen Meinrad ging es steil nach oben – allerdings auf ganz anderen Wegen. Als Meinrad als Einsiedler am 21. Januar 861 hier an diesem Ort von zwei Räubern grausam erschlagen wurde, war seine Lebensbilanz eine andere, als die des Mannes im Markusevangelium. Hier in Einsiedeln kam sein Lebensweg zur Vollendung. Das Leben des heiligen Meinrad: aus vermögendem Elternhaus in Armut und Einsamkeit der Einsiedelei…

Wenn wir den Weg des Meinrad von Sülchen entlang seiner Biographie rückwärtsgehen, führt dieser von Einsiedeln, über den Etzelpass zum Zürichsee, von dort durch das Gebiet der heutigen Schweiz und führt zurück zur Insel Reichenau im Bodensee. Über Jahrhunderte hinweg war die Reichenau ein benediktinisches Zentrum, eine Eliteschule der bedeutendsten Denker und Theologen des frühen Mittelalters. Auf die Reichenau kam Meinrad bereits im jungen Alter von 5 Jahren als sogenannter „Puer oblatus“ – als ein „geschenktes Kind“. Sein Vater hatte ihn dorthin gebracht, damit der Junge eine umfassende Ausbildung erhalte. Dass Meinrad zum Geschenk für Generationen von Gläubigen werden würde, wird sein Lebensweg aber erst noch zeigen.

Seinen Ursprung aber nimmt das Leben von Meinrad jenseits des Bodensees: hinter der steinigen und teilweise in dieser Zeit noch unwegsamen Schwäbischen Alb nahe der heutigen Bischofsstadt Rottenburg am Neckar. Dort – vor den Toren Rottenburgs – liegt die sogenannte Sülchenkirche. Dort in der Gegend des Sülchgaus wurde Meinrad als Sohn einer alemannischen Adelsfamilie geboren.

Vor 1.200 Jahren brach von dort ein Vater mit seinem kleinen Sohn auf. Er klopfte einige Tagesreisen später an die Pforte des Klosters Reichenau. Dort wird er 20 Jahre später zum Priester geweiht. Und so beginnt sein außergewöhnliches Wirken, das viele seiner Zeitgenossen so beeindruckte. –Ganz anders als der reiche Mann im Markusevangelium geht Meinrad den Weg der Armut, der Entsagung, des unbedingten Gottvertrauens und der geschenkten Gottesnähe, die ihn bei aller gesuchter Einsamkeit doch zur gastfreundlichen Menschennähe führte.

Meinrad aber sucht die Armut, die Einsamkeit und die Stille, um Gott näher zu kommen. Immer tiefer zieht er sich zum Gebet, zum Fasten und zur Kontemplation in den finsteren Wald zurück, bis zu seinem gewaltsamen Ende.

Bereits zu seinen Lebzeiten wurde Meinrad für seine Barmherzigkeit bewundert. Und schon bald nach seinem Tod wurde er von vielen Gläubigen als Märyrer verehrt. So endet hier in Einsiedeln im Großen ein Pilgerweg, der im Sülchgau bei Rottenburg seinen Anfang genommen hat.

Durch den Heiligen Meinrad sind wir mit Ihnen, verehrte, liebe Benediktinermönche, hier in Einsiedeln auf immer verbunden.

Nicht nur ich als Bischof, sondern unzählige Gläubige sind für das große Geschenk dankbar, dass uns Abt Urban vor einigen Jahren gemacht hat: Sie, lieber Abt Urban, haben uns den Meinrad in Form einer Reliquie zurückgebracht! Heute kommen viele Menschen in die Sülchenkirche, um an der Reliquie zu beten.

Die Sülchenkirche steht aber nicht nur am Beginn des Lebens des Heiligen Meinrad, sondern auch am Anfang des MEINRADWEGs, den einige begeisterte Rad fahrende Benediktiner unter Ihnen entwickelt haben. Er führt der entlang der Lebensstationen des Heiligen Meinrad über Berge und Täler über Höhen und Tiefen und auf kurvigen Wegen hierher. Dieser Weg ist ein Erfahrungsweg. Er lädt ein zur Besinnung auf das eigene Leben durch die Begegnungen mit den Orten der Lebensweg-Stationen des Menschen Meinrad auf seinem Weg mit Gott und zu Gott.

Viele Menschen sind heute Gott-Sucher. Menschen, die immer wieder neue Wege gehen, auch wenn sie teils beschwerlich sind. Der Meinrad-Lebensweg kann ihnen starke geistliche Anregungen im Sinn-Suchen und im Sinn-Finden geben.

Liebe Schwestern und Brüder, gehen wir ein Stück mit dem Heiligen Meinrad! Lernen wir aus seinem Leben. Sein Gottes-Glaube und seine spirituelle Kraft bewegen noch heute. Im Meinrad-Officium, das uns in einer Handschrift aus dem 12. Jahrhundert überliefert ist, heißt es deshalb:

Heiliger Meinrad,
du besondere Zierde,
als großer Einsiedler leuchtest du einst in diesem Leben.
Komm jetzt als Himmelsbürger
dem treuen Volk zu Hilfe,
nimm Weg durch deine Bitten
die Lasten aller Übel.

Amen!

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