Pilgerbericht: Zur Goldenen Hochzeit auf dem MEINRADWEG

Der MEINRADWEG kann durchaus mit der eigenen Biografie, ja sogar mit der eigenen Beziehungsgeschichte verbunden sein. Dies ist bei Fritz und Karin der Fall – er beginnt am Ort des Kennenlernens und führt dorthin, wo das Ehepaar seinen aktuellen Wohnsitz hat. Zum Tag der Goldenen Hochzeit hat das Jubelpaar den MEINRADWEG befahren und berichtet hier über die gemachten Erfahrungen:

Im Kreis Tübingen, nahe dem Startpunkt unserer Reise, sind wir uns vor 55 Jahren erstmals begegnet und haben nach dem Abschluss unseres gemeinsamen Studiums 1972 dort geheiratet . Nun leben wir schon seit 20 Jahren in Einsiedeln, feiern im Mai 2022 unsere goldene Hochzeit und wollen uns mit dem E-Bike auf den für uns so symbolträchtigen MEINRADWEG von Meinrads Taufkirche in Rottenburg nach Einsiedeln machen – auch um noch einmal einigen Spuren unseres Lebenswegs zu begegnen. Mit über 70 Jahren kann man zusätzlichen Antrieb über die Berge brauchen, und so werden zwei E-Bikes mit Gepäcktaschen versehen, sorgfältige Wetterstudien gemacht und dann – rechtzeitig zum Hochzeitstermin – die Unterkünfte und Züge für die Fahrräder reserviert.

TAG 1

Am 8. Mai 2022 geht’s los! Am problematischsten war die Anfahrt mit dem Zug. Gleich beim ersten Umsteigebahnhof in der Schweiz (der Lift zu klein, keine Rampe vorhanden) musste das schwer beladene E-Bike eine lange Treppe hochgeschoben werden, was nur mit dem Akzeptieren fremder Hilfe durch junge Mitreisende gelang. So haben wir erstmals erfahren, wie angewiesen man als Pilger auf hilfreiche Begleitung ist – und das war schon das erste mal, dass wir merkten, welche Bedeutung auch die spirituellen Meinrad-Impulse am Ende unseres Reiseführers im Laufe des Wegs bekamen.

Endlich im Freien und ohne Coronamaske erreichten wir mit dem Blick auf blühende Bäume und Rapsfelder die Sülchenkirche in Rottenburg und gegen Abend Hechingen als ersten Etappenort. Dort begleitet uns das Hohenzollernschloss noch lange auch am nächsten Tag am Horizont . Da ich in Tübingen zur Schule gegangen bin, war der Beginn der Reise auch gleich eine dankbare Rückbesinnung auf meine familiären Wurzeln – wieder einen Meinrad-Impuls miterlebt!

TAG 2

Die ersten Anstiege auf die Schwäbische Alb und die rasanten Abfahrten hinunter ins Donautal zum Kloster Beuron brachten uns erstmals mit unseren Grenzen in Kontakt. Dankbar haben wir die Teilnahme am Salve Regina in der Klosterkirche als bewusst gewählten Ort der spirituellen Einstimmung auf unseren am nächsten Morgen folgenden Hochzeitstag erlebt.

TAG 3

Am 10. Mai also radelten wir durch das schöne Oberschwaben – immer mit Pater Philipps Pilgerreiseführer im Gepäck in Richtung Bodensee. Keine Radwegkirche zum Innehalten versäumen, Orientierung auch bei fehlenden Strassenschildern (gut, dass die Kirchtürme schon von weitem zu sehen sind), den Einstieg in den Donauradweg nicht verpassen, auch bei neuen Baustellen z.B. das Kloster Hegne ansteuern können und auf einer coronageschwächten Insel wie der Reichenau noch eine offene Wirtschaft zum Abendbrot am Wasser zu finden (Geheimtipp Campingplatzbistro Sandseele!) – genug Herausforderungen für über 70jährige wie uns und als Belohnung dann – in Dankbarkeit für die Schöpfung – ein Sonnenuntergang wie gemalt!

TAG 4

Morgenkaffee am Münster von Reichenau. Bei der Fahrt Richtung Konstanz merken wir, dass ein Akku nicht voll geladen hat in der Nacht und sind in Sorge, dass es nicht über die Berge in die Schweiz langen könnte. Eine Irrfahrt in Kreuzlingen lässt uns schliesslich einen Ort mit Namen „Tour de Suisse“ als erste Oase wieder in CH ansteuern: Eine Radmanufaktur mit freundlichen Menschen, Akkulade- und Snackmöglichkeiten – was will man mehr?

Nun also auf nach dem Ort Berg – welche Freude, die Schweizer Alpenkette dort erstmals am Horizont wiederzusehen! Nach Weinfelden wird es bergiger und sonniger, beinah verpassen wir die alte Radwegkirche Lommis. Dann ziehen sich die Steigungen über Vogelsang und Oberwangen und nach gefühlt viel mehr als 10 km (immer mein Blick, ob der Akku reicht) haben wir das Kloster Fischingen  erreicht. Erstmals eine Übernachtung in Klostermauern, stilvoll renoviert, und auch Abendessen dort im Garten – ein wunderbarer Ort!

TAG 5

Nun sind wir fast in vertrautem Gelände. Die grosse Herausforderung heute: Das Energiemanagement über zwei steile Pässe! Wir nähern uns der Hulftegg – wir sind beide fast gleichzeitig oben – und haben es geschafft! Dann wieder eine lange, steile Abfahrt, da muss man alle Sinne zusammen haben, über 50 km/h zeigt mein Tacho – endlich sind wir in Steg bei der Bäckerei. Von nun an geht’s fast nur bergab – immer mit Aufmerksamkeit an den Wegkreuzungen – zur Radwegkirche Fischenthal und dann Richtung Schmerikon. Nach einem kleinen Sturz beim Bahnübergang, an dem endlich mein Verbandszeug zum Einsatz kam, geht es mit lädiertem Knie vorbei an der Meinradkapelle in Oberbollingen und Kloster Wurmsbach bis Rapperswil, wo wir in Erwartung des letzten Anstiegs uns am See mit Minestrone stärken. Noch über den Seedamm mit einem Umweg zur modernen Pfäffikoner Meinradkirche, und dann starten wir zur ultimativen letzten grossen Steigung, dem Etzelpass. Trotz Motorunterstützung ist es eine Anstrengung, und der Blick auf die verbleibende Akkuleistung erinnert mich an das Gleichnis von den törichten Jungfrauen, die ihren Lampenölvorrat nicht im Blick hatten. Aber es gelingt – ohne zu „stossen“ erreichen wir die Passhöhe und die Meinradkapelle. Was für ein Gefühl, den Spuren des Heiligen so lang gefolgt zu sein! Ein Eintrag ins Pilgerbuch , und mit der letzten Abfahrt zur Teufelsbrücke und ins Klosterdorf endet unsere Radtour.

EPILOG und ABSCHLUSSSEGEN

Während unserer Goldhochzeitswoche und der Fahrt auf dem MEINRADWEG, der symbolisch Stationen unseres gemeinsamen Lebenswegs verbunden hat, wuchs der Wunsch, beides zusammen mit einem spirituellen Impuls abzuschliessen. Daher haben wir uns eine Woche später noch einmal mit Pater Philipp in der Meinradkapelle auf dem Etzelpass getroffen und unser Ehegelübde erneuert. Wir haben viele gemeinsame Erinnerungen auf dieser Tour gespeichert und noch mal intensiv gespürt, wie wichtig ein verlässlicher Partner im Leben ist. Der Vergleich unserer langen Ehe mit einem Fahrrad mit gleich wichtigem Vorder- und Hinterrad sowie Gott als zusätzlicher, willkommener Kraft – quasi wie beim E-Bike – begleitet uns seitdem und ist uns Ansporn, neben dem Bergwandern, auch mit dem Fahrrad künftig noch mehr zu wagen. Vielleicht ist auch unser Bericht anderen Ansporn für eine ähnliche Unternehmung!

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